Ottenbach, Sonntagmorgen um 4.15 Uhr. Nebelschwaden, grauer Himmel, matschiger Boden. Das sind die äußeren Rahmenbedingungen für die Albextrem 2009. In mir sieht es nicht viel besser aus. Kaum geschlafen vor Aufregung. Immer wieder im Traum diese magische Zahl: 190 km. Als Pfarrer glaubt man ja von berufswegen an mancherlei Unglaubliches. Aber dass ich diese Strecke schaffe? Etwas benommen quäle ich mich mit meinem Frühstück. Willi Weid und ich schweigen uns an. Seltener Zustand. Dann der Versuch sich noch einmal innerlich frei und leer zu machen. Nur ein Versuch.
Zum Fototermin des Diakonie Fund Racing Teams, für das ich hier antrete, komme ich zu spät. Macht nichts. Wenn ich nicht durchhalte, ist es besser ich bin auf keinem Bild!
Etwas verwirrt suchen wir in Ottenbach den Start. Ungefähr 1000 Radler sind schon vor mir und warten auf den Startschuss. Vereinzelt sehe ich unsere blau-weißen Trikots. Gut zu wissen: Ich bin nicht allein.
Dann setzt sich die Karawane in Bewegung. Noch immer kann ich es nicht fassen: Du fährst jetzt 190 km und überwindest 2800 Höhenmeter. Im Traum nicht! Nein, in Wirklichkeit.
Ganz langsam geht es los. Lieber am Anfang zu wenig, als am Schluss gar nichts, heißt die Devise. Der neu gekaufte Pulsmesser blinkt mir nervös entgegen. Ich ignoriere ihn.
In Schwäbisch Gmünd holpern wir übers Kopfsteinpflaster zur ersten Kontrolle. Stolz zeige ich meine Karte, ein Anfang ist gemacht. So manch einer kam schon entgegen. Aufgegeben. Aber ich bin noch dabei.
Nach Straßdorf geht es dann ab in die Büsche. Nun ist es kein Versuch mehr. Erleichtert geht es wieder nach Ottenbach. Und dann hinüber nach Waldstetten. Die erste Versorgungsstation nach rund 50 km. Das Ganze noch dreimal, dann hast du?s geschafft, denke ich mir, als ich meine zweite Banane in mich reinstopfe.
Dann kommt der Furtlespass. 630 Meter über Null. Kein Problem. Langsam wächst das kleine Senfkorn Glaube in mir: Vielleicht doch ?? Auf dem Weg hoch nach Treffelhausen treffe ich eine Bekannte aus meinem ersten Babypflegekurs. Die Zeiten ändern sich. Statt wickeln treten wir ein kleines Stück gemeinsam in die Pedale. Nächstes Jahr macht sie vielleicht auch mit bei uns Diakonikern. Antreten gegen die Armut. Eigentlich kein schlechter Gedanke!
In Bartholomä gibt es Banane 3 und 4. 100 km. Die Hälfte!
Das nächste Ziel ist Weiler. Dort warten einige diakonisch bewegte Frauen mit Leberkäswecken und Kaffee auf uns. Den LKW vor Augen geben Willi und ich auf der Weilemer Steige alles. Stürmisch werden wir begrüßt. Aber ich merke: Das war zuviel. Ich glaube, das war?s. Aus. Ende.
Fühl' mich wieder wie beim Frühstück. Benommen. Leicht übel. Ohne Glauben an das Unglaubliche. Ich in Augenhöhe mit meinem inneren Schweinehund. Nur nix anmerken lassen! Vielleicht hilft ja der Kaffee. Koffeindope. Und tatsächlich. Österliche Gefühle. Wie singt Udo Lindenberg so schön: ''Hinter dem Horizont geht's weiter ?'' In Wittingen angekommen schnauft Willi: ''Jetzt nur noch Stötten.'' Ein Blick auf den Tacho: 155km, 2600 Höhenmeter, Puls ein bisschen zu hoch. Stimmung aber auch. Sehr hoch. Endorphine beflügeln mich. Nie war es schöner Geislingen über Türkheim zu erreichen! Stötten ist trotz Sonne kein Problem. Banane 5 und Joghurt. Schmeckt auch lecker. Zum ersten Mal bin ich es, der sagt: '''Komm, wir fahren weiter.''
Der Höhenmeter zeigt 2900 an. Aber die Birkenhöfe kommen noch. Ich glaube 12% Steigung. Aber jetzt ist alles egal. Ich weiß es: Ich schaffe es! Wahnsinn wenn der Glaube zur Gewissheit wird!
Im Ziel sind schon alle vom Team versammelt. Die Diakonie-Familie. Alle glücklich. Alle geschafft. Alle Gutes getan. Und Spaß gehabt. Fast von Beginn an!
Pfarrer Christoph Wiborg