Montagabend, Balkon, fast Vollmond.
Dazu ein kühles Glas Weißwein.
Und sich erinnern.
An das Gestern. An die Albextrem 2015.
„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“ heißt eine
alte jüdische Weisheit.
Wie wahr!
So ein erlöstes Gefühl habe ich eigentlich sonst nie im
Jahr.
Dieses Gefühl, das mit der Abfahrt hinunter nach Ottenbach
beginnt, mit einem Hefeweizen begossen und in einer schlaflosen Nacht
durchwacht wird.
Frau möge mir den Vergleich verzeihen: So in etwa muss sich
eine Mutter fühlen, die grad entbunden hat.
Die Schmerzen, das Reißen, das Hecheln – alles vergessen
angesichts des Wissens: Geschafft!
Und der Urkunde in den Händen.
Abgesehen von der Steigung bei Weilerstoffel, bei der ich
mit 90% der MitfahrerInnen zum ersten Mal den Sinn dieses ansonsten wie ich
finde dämlichen Sprichworts „Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt“ verstanden habe, war diese so ganz
neu geroutete Albextrem einmal mehr eine schmerzhafte Freude.
Vor allem das Wetter, das, wie ich hier einmal unverwunden
behaupten mag, wesentlich mehr Einfluss auf unser Leben hat als jedwede Form
von Genetik: Ein Traum.
Und das an einem Sonntag – jetzt bricht wieder der Pope
durch – der unter dem Proprium „Die Gemeinde der Sünder“ steht. Wahrscheinlich
geht das nur mir so, einem von 3300. Wenn man durch die Dörfer fährt und die
Glocken läuten hört und weiß: Nun ist Gottesdienst … und was machst du? Jeder
Glockenschlag ein Schlag ins Gewissen.
Doch dann fällt mir ein, mit welchem Wort am heutigen
Sonntag die Predigt anheben wird:
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Eben!
Sei barmherzig! Vor allem mit dir selbst.
Im Angesicht dieses wunderbaren Albextrem-Himmels kommt mir in
diesem Zusammenhang ein Gedicht Robert Gernhardts in den Sinn, das ich mit
stiller Freude meinem barmherzigen Vater zutrage:
„Himmel, großer Deckel du, deck mich kleine Erde zu.
Hab ich Unrecht heut getan, zeige mich bei Gott nicht an.
Lässt du mich nur selig ruhn, will ichs morgen wieder tun.
Amen.“
Doch um ehrlich zu sein: Schon bei Pause 2 in Gnannenweiler,
nach 100km und 1700hm, spüre ich, dass ichs morgen nicht nochmal tu.
Diese erste Hälfte hatte es in sich, da sind sich alle um
mich herum einig. „Ein Unding!“ – „Zumutung!“ – „Kein Spaß mehr!“ so tönt es
allenthalben. Manche - fast schon verbittert - zetteln mögliche Verschwörungen
an: „Nächstes Jahr laufen wir alles!“
Im Zeitalter der sozialen Medien bahnt sich ein Proteststurm
gegen die Organisatoren der Albextrem an. In diesen Stunden, in denen ich dieses
schreibe, ist die Internetseite nicht zu erreichen …
Doch sei hiermit noch einmal eindringlich erinnert:
„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist.“
Ansonsten war‘s nämlich wirklich wieder landschaftlich
großartig, prächtig organisiert und geradezu lecker: die Brötchen in
Gnannenweiler, das Joghurt in Hofstett-Emerbuch, die Butterbrezel in Stötten …
und das Hefeweizen in Ottenbach!
Womit sich der Kreis wieder schließt.
Und die Sache rund wird. Ganz. Und schön.
„Das Geheimnis der
Erlösung heißt Erinnerung!“ So ist es. einmal mehr.
Bis zum nächsten Jahr, Ihr lieben Diakonie Fund Racer!
Christoph Wiborg