Wie eine Stadt in Bayern ihr alljährliches Fahrradfest feiert
Angelockt von der 24-stündigen Dauer wollte ich mich 4 Tage
vor dem Rennen in Kelheim anmelden, dachte – es könnte eine gute Vorbereitung
für das kommende Event
„Rad am Ring“ (Nürburgring) sein.
Pustekuchen, … die Anmeldungen waren bereits abgeschlossen.
Zufällig entdeckte ich dann auf der Veranstaltungs-Seite im
„Gästebuch“ einige Einträge,
in denen angemeldete Teams noch einen Fahrer suchten. So
bekam ich quasi in letzter Minute meine Starterlaubnis, zusammen mit 4
Team-Radlern, die schon im letzten Jahr Kelheim-Erfahrungen gesammelt hatten.
Ich war gespannt.
Irgendwo im tiefsten Bayern, zwischen Ingolstadt und
Regensburg,
liegt Kelheim an der Donau, nicht unbedingt der Nabel der
Welt,
aber ein schönes 15.000 Einwohner Städtchen mit historischem
Altstadtkern.
Am Freitagnachmittag komme ich an, der Start zum Rennen ist
am Samstagnachmittag.
Im Fahrerlager entlang der Donau herrscht schon geschäftiges
Treiben.
„Claims“ werden abgesteckt, Autos geparkt, Zelte aufgebaut,
Wohnwägen rangiert, Wohnmobile platziert.
Mein Werks-Team (Kelheim Fibres) lässt sich von der Firma bestens
unterstützen,
d.h. Startgeld (300 Euro) ist bezahlt, Trikots werden
gestellt, ein 30 Personen-Zelt wird vom THW für unser 5er-Team aufgebaut, Bank
/ Tisch Garnituren, Liegen, Kühlschrank, Lampen und Heizung inklusive.
Wer beansprucht welches Plätzchen im Zelt |
Samstagnachmittag, … mitten auf dem Kelheimer Marktplatz ist
ein Riesenbierzelt aufgebaut
(jaa, … wir sind in Bayern !!), … mir scheint, als wäre die
ganze Stadt versammelt.
Meine Teamkollegen erklären mir den Ablauf.
Der Massenstart ist an der Donau, die „Stabübergabe“ an die
nachfolgenden Team-Mitglieder erfolgt auf dem Marktplatz.
Hektisches Treiben kurz vor dem Start am Samstag 14.00 Uhr |
Nun stehe ich also mit meinem Radl hinter dem Bierzelt und
warte, bis mein Teamkollege ankommt und mir den Stab (in einer Trinkflasche)
übergibt. Es herrscht eine irre Atmosphäre.
Der Moderator peitscht das interessierte Publikum zu
Beifallsstürmen als die ersten Fahrer ankommen. In einer Gasse aufgereiht
stehen die folgenden Teamfahrer.
Der Ankommende ruft den Namen des Wartenden, oder umgekehrt,
außerdem erkennt man sich an den Trikots, … Stabübergabe, …
los geht`s.
Wenige Stunden vor der 1. Runde |
Ich bin der 2. Fahrer in unserem Team.
Die ersten 50m mitten durch`s Bierzelt, dann
Kopfsteinpflaster bis zur Donau
und schon geht`s hoch durch den Wald zur „Befreiungshalle“.
Es sind zwar nur 195Hm,
aber mit 15% Steigung. Weitere 6km mit Abfahrt durch den
Wald, dann wieder über die Donau und auf der anderen Uferseite 8km zurück nach
Kelheim. Streckenlänge 16,5km.
Wieder über Kopfsteinpflaster holpere ich im Renntempo
durch`s Bierzelt, …
Mario, … wo ist Mario, … da, inmitten des Tohuwabohus ruft
Einer meinen Namen und streckt den Arm aus zur Stabübergabe.
Mario klickt ein, … „mach`s gut“, … und entschwindet durch
die Gasse im prall gefüllten , Bierzelt.
Blick auf den Garmin, … meine Zeit um die 30 Min.
Jetzt im Fahrerlager 3 x 30 Min. Ausruhen, Essen, Trinken.
Sobald Mario wieder auf der Strecke ist, nehme ich
Aufstellung in der Gasse und warte auf die nächste Stabübergabe. So geht das über 24 Stunden.
Warten in der Gasse auf die
Stabübergabe
... bei Tag
|
Entlang der Strecke haben sich applaudierende Gruppen
platziert, die dem Rennen seine besondere Würze geben. Mit Notstromaggregaten
ausgerüstet, wird auch mitten im Wald rings um Kelheim gegrillt, campiert,
genächtigt und das 24 Stunden-Rennen gefeiert.
Wer darüber die Nase rümpft, hat noch nie erlebt, wie
wohltuend es sein kann,
nachts um 2 Uhr von
ACDCs „Highway to Hell“ in voller Dröhnung eine 15% ige Steigung
hochgepusht zu werden.
... und auch bei Nacht |
Ich habe mir das 24 Stunden Team-Erlebnis einfacher
vorgestellt.
In meiner Wartezeit von ca. 90 Min. zu schlafen geht nicht.
Es bleibt nach Flüssigkeits- und Nahrungsaufnahme, dem Wechsel
von nass geschwitzten Klamotten und einem Toilettengang gerade noch Zeit für
ein power-nap von ca. 30 Min.,
mehr Dösen als Schlafen.
Als Team haben wir uns vorgenommen, dass jeder mindestens 10
Runden fährt.
Leider haben 2 Fahrer unseres Teams nach 9 Runden aufgegeben,
damit war meine Motivation nach der 10. vollendeten Runde
auch aufgebraucht.
Procedere und Energie hätten mir eine weitere Runde erlaubt,
…
aber die wärmenden Sonnenstrahlen am Donauufer zu genießen,
ein frisch gezapftes Weißbier in der Hand, waren auch für
mich zu verlockend.
Abschließend möchte ich behaupten, wesentlich leichter 330km
nonstop zu fahren,
als ein 24 Stunden Rennen im Team mit nur halb so vielen Kilometern - aber mit all den vielen
Zwangspausen - zu bestehen, ... in dem mit jeder Runde das Rennen neu beginnt.
Joachim.