Die Sommertage in Skandinavien
sind wesentlich länger wie in
Deutschland,
1. „Vätternrundan“
Schweden 300 km
2.
„Styrkeproven“ Norwegen 540 km
Zu 1.: Motala in
Östergötland gehört am alljährlichen Rennwochenende im Juni ganz den Radlern.
Wie soll es auch anders sein, wenn in eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern plötzlich 23.000 „Cyclister“ einfallen. Sogar die
Restaurants sind ganz auf Radlerkost eingestellt, … Pasta, Pasta, … basta !
Am Vortag des Vättern-Rennens wurden meine Berliner Freunde und ich von einem schwedischen TV-Team interviewt. |
Auf dem „Stahlross“ (Monument, installiert zum 40. Vätternrundan, Juni 2006) |
Kurz vor dem Start, 3.58 Uhr |
Meine Stopps während der ersten 200 km summieren sich auf
annähernd 60 Minuten. Dass ein Rennen auch ohne solch „gemütliche“ Pausen zu
meistern ist, merke ich auf den letzten 100 km. Ich finde eine sehr gute Gruppe
und verzichte auf jegliche weitere Pause, um den Anschluss nicht zu verlieren.
die Rennstrecke ist unterbrochen, zur Durchfahrt von Schiffen wurde eine Brücke bei Hammarsundet hochgezogen, das verschafft mir eine 6-minütige Zwangspause |
Nach 300 km im Ziel |
Die Uhr über der Zielschleife bleibt bei mir mit einer Zeit
von 10 Stunden 33 Minuten stehen, gegenüber 2012 eine Verbesserung um 73 Minuten, … damit bin
ich zufrieden. Eine Zeit von unter 10 Stunden müsste also bei guten
Bedingungen und kluger Pauseneinteilung auch für mich möglich sein.
Meine Berliner Freunde enden mit 10 Stunden 57 Minuten.
Till nästa ar i
Motala.
Zu 2.: Auf
norwegisch heißt ”Styrkeproven” Kraftprobe. Die längste Strecke, die ich auf dem Rad jemals zurückgelegt
hatte, war 300 km lang, … doch wer fährt schon zu Testzwecken über 500 km. Obwohl, …
das 24-Stundenrennen am Nürburgring hatte ich schon erwogen mitzumachen.
Norwegen / Trondheim ist auch für Nicht-Styrkeproven-Teilnehmer eine Reise wert. |
Kurz vor dem mitternächtlichen Start |
Vom Vättern-See mit dem Auto nach Oslo, … mit dem Radl im
Nachtzug nach Trondheim. Das „Styrkeproven“ verläuft von Trondheim über das
Dovrefjäll-Gebirge nach Oslo.Was mich dabei an landschaftlichen Eindrücken beim Rennen
erwartet, kann ich vom Zug aus schon mal erahnen. In der „Nacht“ sieht man
nichts ? Nicht im Norden Skandinaviens. „Nacht“ heißt Mitte Juni 3 Stunden Dämmerung. Also, …
endlose Weiten, reißende Flüsse, Wasserfälle, Felsen, Wälder, Seen, …
Wer in der BRD (Bevölkerung 80 Millionen) lebt, kann
erahnen, wie man Norwegen (Bevölkerung 5 Millionen, bei fast gleicher
Landesgröße) empfindet, … unbewohnt.
Habe ich mir zu viel zugemutet? Der Zug braucht für diese
Strecke 8 Stunden und ich will diese Distanz - inklusive 4500 Hm - in 22
Stunden zurücklegen !?
Da stehe ich nun also mit meinem Radl in Trondheim und
sinniere darüber, ob ich meine Startzeit von 0:05 Uhr Samstagnacht auf 6:00 Uhr
Samstagmorgen ändern soll. Kriterium hätte die Wettervorhersage sein können, … aber es
war um Mitternacht genauso Regen angesagt wie am Morgen und während des Tages.
Das Hotel, in dem ich einquartiert war, servierte für alle
dort logierenden Styrkeproven-Teilnehmer am Freitagabend – 5 Stunden vor meinem
Start - ein üppiges Buffet, … doch irgendwie hatte ich auf die Köstlichkeiten gar nicht so richtig Appetit, … schlafen wollte ich auch noch ein paar Stündchen.
Bewaffnet mit Licht am Lenker, Regenmütze unterm Helm,
Regenhandschuhe, Regen-jacke (darunter selbstverständlich das Diakonie-Trikot) und
Rain-Booties, warte ich um Mitternacht am Marktplatz Munkegaten auf den
Startschuss.
Gestartet wird im 5-Minuten Takt in Gruppen mit ca. 100
Radlern, von Mitternacht bis Samstagmorgen 9:00 Uhr, … jeder Teilnehmer mit
einem Transponder am Helm.
Die Vorstellung, im strömenden Regen zu starten, ist nicht
gerade prickelnd. Doch ich staune, als nach den ersten 30 Minuten das Wasser trotz Regenjacke
usw. bis auf die Haut dringt und die Schuhe füllt, finde ich das gar nicht mehr
soooo schlimm. Der Regen auf der Straße wird mir durch die eigenen Reifen
und durch den Hinterreifen meines Vordermannes entgegen geschleudert, … der
Dreck der Straße knirscht mir zwischen den Zähnen, … so geht das über insgesamt
16 Stunden. Verschärft wird die Situation nur noch durch die kalten 6 Grad
Aussentemperatur im gebirgigen Hochland.
Styrkeproven-Einzelkämpfer haben es sehr schwer. Ich
schließe mich deshalb schon früh 3 Radlern aus dem Vitargo-Team von Axel Fehlau an. Zu Viert
wird es etwas leichter. Wir wechseln regelmäßig die Führungsrolle und geben uns
Windschatten.
Man merkt es am Fahrverhalten vieler Teilnehmer in den
letzten Stunden solcher Langstrecken, … die Fahrfehler nehmen zu, die
Konzentration lässt nach, …
und prompt werde ich in einen Crash verwickelt, … der aber für
alle Beteiligten gut ausgeht.
Am Sonntagmorgen komme ich nach einer Zeit von 28 Stunden in
Oslo an, die netto Fahrzeit beträgt 23 Stunden. Die Pausen benötige ich unbedingt, … z.B. bei Ankunft an
einer Verpflegungsstelle in den Bergen: … mein Schüttelfrost will auch nach 30
Minuten noch nicht aufhören, also ausziehen bis auf die Unterhose und die Klamotten zum Trocknen
aufhängen, während ich 5 Tassen Kaffee trinke und endlos viele Marmeladenbrote
verschlinge. Ich bin nicht der Einzige, der diese Prozedur vollzieht. Die
Teams haben es da wesentlich besser: … in den Begleitfahrzeugen liegen trockene
Klamotten zum Wechseln bereit.
(Also Heinz, wie wär`s, … am Besten wir chartern nächstes
Jahr einen Ford-Transit als Mannschaftsbus und Einer – vielleicht Du ?? - fährt
dem Diakonie-Team voraus und wartet an vereinbarten Treffpunkten auf die
aktiven „Fundracer“, … hi,hi,hi, …)
Die letzten 170km von Lillehammer nach Oslo werden sehr zäh
und durch ständige Steigungen richtig unangenehm.
Es ist schon etwas irreal, aber ungemein erleichternd, nach
23-stündigem Radrennen - in der Morgendämmerung - über die Autobahn E6 nach
Oslo einzufahren.
Die „Colour-Line“-Fähre bringt mich heute (Sonntag, 23.06.) von Oslo wieder zurück nach Kiel.
Ich freue mich auf eine ausgiebige Dusche, ein opulentes
skandinavisches Schiffs-Buffet zum Abendessen und ein bequemes Bettchen in
meiner Kajüte.
Wenn mein Sitzfleisch in den nächsten 5 Tagen regeneriert,
wartet am kommenden Wochenende mit dem „Maratona“ die nächste Herausforderung
in Südtirol.
Joachim.