Montag, 1. Juli 2013

Radrennen in Skandinavien


Die Sommertage in Skandinavien

sind wesentlich länger wie in Deutschland,

 … die Radrennen auch !
 

                                   1. „Vätternrundan“   Schweden 300 km

                                   2. „Styrkeproven“     Norwegen 540 km  
 

Zu 1.: Motala in Östergötland gehört am alljährlichen Rennwochenende im Juni ganz den Radlern. Wie soll es auch anders sein, wenn in eine Kleinstadt mit 30.000 Einwohnern plötzlich 23.000 „Cyclister“ einfallen. Sogar die Restaurants sind ganz auf Radlerkost eingestellt, … Pasta, Pasta, … basta ! 


Am Vortag des Vättern-Rennens wurden meine Berliner Freunde
 und ich von einem schwedischen TV-Team interviewt.

Auf dem „Stahlross“ (Monument, installiert zum 40. Vätternrundan, Juni 2006)
 
 Kurz vor dem Start, 3.58 Uhr
 
 Meine Startzeit ist auf 4:10 Uhr festgesetzt. Der Wetterbericht sieht gut aus. Mit einer Berliner Gruppe, die ich über „rennrad-forum“ kontaktierte, wollte ich die Strecke bewältigen. Aber als sie mir in Motala eröffnen, dass sie die 300km in weniger als 10 Stunden anstreben, kapituliere ich. Das traue ich mir nicht zu. 

Meine Stopps während der ersten 200 km summieren sich auf annähernd 60 Minuten. Dass ein Rennen auch ohne solch „gemütliche“ Pausen zu meistern ist, merke ich auf den letzten 100 km. Ich finde eine sehr gute Gruppe und verzichte auf jegliche weitere Pause, um den Anschluss nicht zu verlieren. 

 
die Rennstrecke ist unterbrochen, zur Durchfahrt von Schiffen wurde eine Brücke
bei Hammarsundet hochgezogen, das verschafft mir eine 6-minütige Zwangspause

Nach 300 km im Ziel
 
Die Uhr über der Zielschleife bleibt bei mir mit einer Zeit von 10 Stunden 33 Minuten stehen, gegenüber 2012 eine Verbesserung um 73 Minuten, … damit bin ich zufrieden. Eine Zeit von unter 10 Stunden müsste also bei guten Bedingungen und kluger Pauseneinteilung auch für mich möglich sein.
 
Meine Berliner Freunde enden mit 10 Stunden 57 Minuten.
Till nästa ar i Motala.    

 

Zu 2.: Auf norwegisch heißt  ”Styrkeproven”  Kraftprobe. Die längste Strecke, die ich auf dem Rad jemals zurückgelegt hatte, war 300 km lang, … doch wer fährt schon zu Testzwecken über 500 km. Obwohl, … das 24-Stundenrennen am Nürburgring hatte ich schon erwogen mitzumachen.


Norwegen / Trondheim ist auch für Nicht-Styrkeproven-Teilnehmer eine Reise wert. 

Kurz vor dem mitternächtlichen Start


Vom Vättern-See mit dem Auto nach Oslo, … mit dem Radl im Nachtzug nach Trondheim. Das „Styrkeproven“ verläuft von Trondheim über das Dovrefjäll-Gebirge nach Oslo.Was mich dabei an landschaftlichen Eindrücken beim Rennen erwartet, kann ich vom Zug aus schon mal erahnen. In der „Nacht“ sieht man nichts ? Nicht im Norden Skandinaviens. „Nacht“ heißt Mitte Juni 3 Stunden Dämmerung. Also, … endlose Weiten, reißende Flüsse, Wasserfälle, Felsen, Wälder, Seen, …

Wer in der BRD (Bevölkerung 80 Millionen) lebt, kann erahnen, wie man Norwegen (Bevölkerung 5 Millionen, bei fast gleicher Landesgröße) empfindet, … unbewohnt.  

Habe ich mir zu viel zugemutet? Der Zug braucht für diese Strecke 8 Stunden und ich will diese Distanz - inklusive 4500 Hm - in 22 Stunden zurücklegen !?

Da stehe ich nun also mit meinem Radl in Trondheim und sinniere darüber, ob ich meine Startzeit von 0:05 Uhr Samstagnacht auf 6:00 Uhr Samstagmorgen ändern soll. Kriterium hätte die Wettervorhersage sein können, … aber es war um Mitternacht genauso Regen angesagt wie am Morgen und während des Tages.

Das Hotel, in dem ich einquartiert war, servierte für alle dort logierenden Styrkeproven-Teilnehmer am Freitagabend – 5 Stunden vor meinem Start - ein üppiges Buffet, … doch irgendwie hatte ich auf die Köstlichkeiten gar  nicht so richtig Appetit, … schlafen wollte ich auch noch ein paar Stündchen.

Bewaffnet mit Licht am Lenker, Regenmütze unterm Helm, Regenhandschuhe, Regen-jacke  (darunter selbstverständlich das Diakonie-Trikot) und Rain-Booties, warte ich um Mitternacht am Marktplatz Munkegaten auf den Startschuss.

Gestartet wird im 5-Minuten Takt in Gruppen mit ca. 100 Radlern, von Mitternacht bis Samstagmorgen 9:00 Uhr, … jeder Teilnehmer mit einem Transponder am Helm.

Die Vorstellung, im strömenden Regen zu starten, ist nicht gerade prickelnd. Doch ich staune, als nach den ersten 30 Minuten das Wasser trotz Regenjacke usw. bis auf die Haut dringt und die Schuhe füllt, finde ich das gar nicht mehr soooo schlimm. Der Regen auf der Straße wird mir durch die eigenen Reifen und durch den Hinterreifen meines Vordermannes entgegen geschleudert, … der Dreck der Straße knirscht mir zwischen den Zähnen, … so geht das über insgesamt 16 Stunden. Verschärft wird die Situation nur noch durch die kalten 6 Grad Aussentemperatur im gebirgigen Hochland.

Styrkeproven-Einzelkämpfer haben es sehr schwer. Ich schließe mich deshalb schon früh 3 Radlern aus dem Vitargo-Team von Axel Fehlau an. Zu Viert wird es etwas leichter. Wir wechseln regelmäßig die Führungsrolle und geben uns Windschatten.
Man merkt es am Fahrverhalten vieler Teilnehmer in den letzten Stunden solcher Langstrecken, … die Fahrfehler nehmen zu, die Konzentration lässt nach, …
und prompt werde ich in einen Crash verwickelt, … der aber für alle Beteiligten gut ausgeht. 

Am Sonntagmorgen komme ich nach einer Zeit von 28 Stunden in Oslo an, die netto Fahrzeit beträgt 23 Stunden. Die Pausen benötige ich unbedingt, … z.B. bei Ankunft an einer Verpflegungsstelle in den Bergen: … mein Schüttelfrost will auch nach 30 Minuten noch nicht aufhören, also ausziehen bis auf die Unterhose und die Klamotten zum Trocknen aufhängen, während ich 5 Tassen Kaffee trinke und endlos viele Marmeladenbrote verschlinge. Ich bin nicht der Einzige, der diese Prozedur vollzieht. Die Teams haben es da wesentlich besser: … in den Begleitfahrzeugen liegen trockene Klamotten zum Wechseln bereit.

(Also Heinz, wie wär`s, … am Besten wir chartern nächstes Jahr einen Ford-Transit als Mannschaftsbus und Einer – vielleicht Du ?? - fährt dem Diakonie-Team voraus und wartet an vereinbarten Treffpunkten auf die aktiven „Fundracer“, … hi,hi,hi, …)

Die letzten 170km von Lillehammer nach Oslo werden sehr zäh und durch ständige Steigungen richtig unangenehm.
Es ist schon etwas irreal, aber ungemein erleichternd, nach 23-stündigem Radrennen - in der Morgendämmerung - über die Autobahn E6 nach Oslo einzufahren.

 
Die „Colour-Line“-Fähre bringt mich heute (Sonntag, 23.06.) von Oslo wieder zurück nach Kiel.
Ich freue mich auf eine ausgiebige Dusche, ein opulentes skandinavisches Schiffs-Buffet zum Abendessen und ein bequemes Bettchen in meiner Kajüte.
Wenn mein Sitzfleisch in den nächsten 5 Tagen regeneriert, wartet am kommenden Wochenende mit dem „Maratona“ die nächste Herausforderung in Südtirol.

Joachim.